Mittwoch, 2. Februar 2011

Das Parfum

Das haben sie nun davon. Ertrugen klaglos Zugluft, völlige Vernachlässigung und fehlende Beachtung.
Sie waren die schweigenden und unfreiwilligen Gäste verstaubter und verräucherter Bahnhofskneipen und anderer zwielichtiger Etablissements.
Sie wurden als Aschenbecher missbraucht oder mussten als beblätterter Büroinsasse so manche Tasse kalten Kaffee verschwinden lassen, was gleichzeitig ihre einzige Gelegenheit darstellte, überhaupt Nahrung in flüssiger Form aufzunehmen. Denn das Gießen wurde oft einfach gänzlich unterschlagen.

Sie waren das pflanzengewordene Symbol für Tristesse und Einsamkeit schlechthin.


Und doch: Diese Zimmerpflanze mit Migrationshintergrund hat es trotzdem geschafft. Die grünste Nebensache der Welt hat sich durchgebissen.

Es handelt sich um die Sansevieria, den Bogenhanf, oder auch gar nicht liebevoll Schwiegermutterzunge genannt. Sansevieria, die Verkannte, die stiefmütterlicher behandelt wurde als jedes Stiefmütterchen.

Einen geradezu legendär schlechten Ruf hatte Sansevieria trifasciata inne. Gerade sie musste wie keine zweite als Mauerblümchen vielen Glasbauwänden den letzten Schliff geben und schmückte so manches öde Treppenhaus.

Dabei ist ihre Anspruchslosigkeit sprichwörtlich: Zuviel Wasser bringt sie eher um als zuwenig.
Die ideale Pflanze für Gießmuffel und vergessliche Zeitgenossen!

Nach jahrzehntelanger Funkstille sieht man sie zum Glück erneut überall.
Und schon wieder bewohnen sie Kneipen, doch diesmal können sie sich was drauf einbilden, sind es doch in der Regel schicke Szenelokale, die die Sansevierie als Stilmittel wiederentdeckt haben - denn was dem Küchenchef der reduzierte Aceto Balsamico an Rucola-Salat, ist dem Innenarchitekten die Sansevierie.

Doch können Pflanzen denn tatsächlich ganz ohne fremde Hilfe altmodisch sein oder gar spießig?
Da sie hauptberuflich aussehen wie eine grüne Skulptur, sind Sansevierien eher für das moderne Wohnzimmer als für den Landhausstil geeignet. Im richtigen Übertopf und als Alleinherrscher auf der Fensterbank sind sie durchaus ein extravaganter Blickfang.

Ich gebe zu, auch bei mir war es keine Liebe auf den ersten Blick. Ich war mit dem Bogenhanf am Wohnzimmerfenster großgeworden und war fest entschlossen, nicht auch noch mit ihm alt zu werden.
Aber manchmal ist es eben höhere Gewalt - und die kam in Form von diversen Plagen wie Thripse und Spinnmilben über alle Pflanzen, die eine schöne grüne Senkrechte an mein eigenes, sonniges Wohnzimmerfenster zaubern sollten, aber bitte ohne allzusehr in die Breite zu gehen.

Also bat ich eben doch meine Mutter, mir Ableger von ihrem greisen Bogenhanf zu schenken, der gut und gern so alt sein wird wie ich.
Dabei handelte es sich um den Kneipen-Klassiker schlechtin: Sansevieria trifasciata "Laurentii" - seit jeher heiß geliebt oder glühend gehasst. Ich beschloss, ihn zur Abwechslung mal zu lieben.

Und er hat es verdient: Toleriert Heizungs- wie Zugluft, verzeiht kleinere Nachlässigkeiten und größere Urlaube ohne Pflege und sieht immer gut dabei aus. Schädlinge können ihm den Buckel runterrutschen.

Den Bogenhanf kann man mittlerweile in allen möglichen Sorten wieder käuflich erwerben.
Aber das kann man auch lassen, wenn man jemanden kennt, der noch so ein Schmuckstück besitzt.
Am besten ist natürlich so ein altehrwürdiges Exemplar mit Kultfaktor - aus der Zeit, als die Welt noch schwarz-weiß war.

Die Pflanze kann man ganz leicht teilen - selbst, wenn die Ableger nur eine homöopathische Dosis Wurzeln mit auf den Weg bekommen haben, das wird schon. Die Sansevieria bringt so schnell nichts um.

Ganz Geduldige können sich auch an Blattstecklingen versuchen.

Und wer sich die ganze Bogenhanf-Bande trotz nachweislicher Braune-Daumen-Toleranz dann doch nicht so recht zutraut, der versuche es doch einmal mit selbstgebastelten Sansevierien-Püppchen.
Aber beschwere er sich nachher nicht, dass die nicht blühen!



Das ist nämlich die größte Ehre, die einem eine Sansevieria zuteil werden lassen kann - der Duft ist unbeschreiblich und kann ein ganzes Zimmer erfüllen - das reinste Raumparfum.
Wer hätte gedacht, dass das ehemalige Kneipenkind so ein Gespür für das Ätherische hat?

13 Kommentare:

  1. Hallo liebe Elke du hast mich wieder aufgeklärt.
    Ich habe auch so einen Blume die ist irgendwie noch von früher da hatte man sie viel.Meine ist auch sehr groß geworden ging ganz schnell.
    Tulpen in Zeitung ist doch mal was anderes ist mir so eingefallen.
    Wünsche dir noch eine schöne Woche,liebe Grüße Jana

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  2. Schöne Hymne auf die meist Ungeliebte.
    Ich bin mit Sanseverien groß geworden - wie mit vielen anderen Pflanzen auch. Habe sie nie gehasst, nie besonders geliebt. Und hatte schon immer eine. So auch heute noch. Ihr Stammbaum dürfte tief in meine Familiengeschichte zurückreichen.
    Liebe Grüße, Margit

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  3. Guten Abend Elke
    Also wirklich, mit deinem Post versetzt du mich jetzt grad 30 Jahre zurück; als Sekretärin in einem grossen Betrieb ... und was zierte den Fenstersims - Jaaaaahre sag ich dir, und Jahre nach mir standen die immer noch da, eben drei Riesenpötte voller Schwiegermutterzungen ... und die mussten ja leiden damals ... ab und zu mal einen Schluck Wasser, ja das hats schon noch gegeben. Aber die habens wirklich ausgehalten. Und ... ich würd heute auch solche ins Wohnzimmer stellen ... gefallen mir nämlich mittlerweilen auch :-)
    Ganz liebwe Grüsse
    Ida

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  4. Liebe Elke, Du hast mir mal wieder eine Pflanze näher gebracht, von der ich zuvor nicht wirklich viel wusste.

    Lg kathrin

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  5. Wieder ein toller Post!

    Daumen hoch! Ich glaube, ich muß mir auch noch so ein "Ding" zulegen. Nachdem unsere Hunde wieder einen Kaktus von seiner Treppenstufe aus den Todesstoß verpaßt haben, habe ich wieder ein Plätzchen frei. ;)

    LG,
    Pupe

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  6. liebe elke, wieder so ein schöner text von dir! ich hatte sanseverien bei ikea erstanden und zwei jahre im bad gehalten, ich glaube letzten sommer sind sie mir im garten an der frischen luft verfault.
    ich bin manchmal ein richtiger pflanzenkiller. eigentlich schade, jetzt steht nichts mehr auf dem badewannenrand.
    lg sibylle

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  7. Herrlich, ich hab so gelacht. :)

    Viele Grüße
    Margrit

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  8. Sorry Sibylle ;-) Ich hatte als Jugendliche eine im Zimmer und meine Mutter in Verdacht, dass sie sie bei mir entsorgt hatte. Naja, ICH habe sie irgendwann (auch) gehasst und wollte hab mit ihr einen inneren Dialog begonnen, wer als erster gehen würde, sie oder ich. Was soll ich sagen - sie hat den Kampf gewonnen und ich aufgegeben. Ich bin ausgezogen und meine Mutter sie wieder. Kein Wunder, dass sie bei mir nie blühte, wenn ich das so lese ;-) Aber du hast mich maximal neugierig gemacht!!! Ich denke, ich besorg mir auch eine, der nächste Elch ist ganz in unserer Nähe.

    Liebe Grüße
    Elisabeth

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  9. Schöne beschreibung. Ich bekam eine von einer bekannten ("entweder Du nimmst sie, oder ich werfe sie in den mist", was tut frau da?).
    Im ersten winter hat sie mich mit einer blüte belohnt, der duft ist wirklich unbeschreiblich, süss aber nicht schwer.

    Seither verweigert sie sich...

    lg, brigitte

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  10. Sooooooo wunderschön geschrieben! Ganz toll!
    Liebe Grüsse vom anderen Ende der Welt
    Christine

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  11. Hallo Elke,
    ich mag den Bogenhanf sehr, vor allem deshalb, weil er so schön pflegeleicht und durch seinen aufrechten Wuchs schon etwas Besonderes ist. Deine Bezeichnung "grüne Skulptur" trifft es auf den Punkt! Ich habe allerdings festgestellt, dass ihm direktes Sonnenlicht nicht so gut tut, da werden seine Blätter gelb. Dass es verschiedene Sorten gibt, wusste ich gar nicht, na, wieder was dazu gelernt. ;-)

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Bärbel

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  12. Ah but you have a wonderful way with words! Homeopathic dose of roots ;~(0) I have learnt to love mine, out in the garden. Have a second variety, and am planting them in drifts and swathes. I have also learnt from seeing them grow wild in Addo, that here, they like a little dappled shade.
    I saw the flower, but had no idea it was fragrant. Will think of you and sniff next time it flowers.

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  13. Hallo Elke,
    Bogenhanf fand ich immer spießig, irgendwie überholt. Als mein Mann eine große Pflanze mit in die Ehe brachte, dachte ich, die werde ich schon los. Alle Topfpflanzen wurden von mir liebevoll gegossen. Nur die eine nicht. Aber sie wollte einfach nicht vertrocknen. Nach etwa einem Jahr Vernachlässigung dankte mir die Sansevieria meine schlechte Behandlung mit zwar eher unscheinbaren, aber wunderbar duftenden Blüten. Mein Mann war ganz aus dem Häuschen, dass ich die Pflanze zum Blühen gebracht hatte. Ihm war das trotz intensiver Pflege nie gelungen. Natürlich halte ich den Bogenhanf seitdem in Ehren. Wer sich so bemüht darf bleiben. Inzwischen finde ich die schmalen, schön gemusterten Blätter ganz hübsch.
    Liebe Grüße
    Anette

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